Zweifel

Mit dem Wissen wächst der Zweifel*
 
 
 
 
Wir kennen jetzt viele Gründe, mit etwas Lebenssinvollem aufzuhören oder Gründe um weiterzumachen. Der kleine Funke zwischen diesen Polen ist der Zweifel. Der Zweifler hat nicht gerade einen collen Ruf, ich denke aber, man tut dem Stirnrunzler unrecht.
 
Seine grösseren Brüder, der Zauderer oder Zögerer sind da eher Bremser oder Mutlose, Zweifler im Selbstzweck, Verzweifler. Mit ihnen bleibt man immobil und starr, gelähmt, wo Entscheidung nötig wäre. Der Zweifel kann die Insanz sein, die zurücktritt und sich einen Überblick verschafft, die abwägt: wem nnützt es, ist das gut gemacht, wer bin ich, wie handle ich, wie mache ich weiter, woran glaube ich?
 
Der Glaube an eine Sache ist nicht Wissen darüber. Glaube beruht auf dem Willen zu glauben und ist ein Führwahrhalten ohne methodische Begründung. Die Beweisführung in Glaubensfragen war schon immer eine heikle Angelegenheit. Viele Glaubensgemeinschaften haben ihre Mitglieder*innen mit Angst und Zwang in der Reihe gehalten. Wenn man an etwas Immaterielles, Philosophisches, Abstraktes, Hypothetisches oder Spirituelles glauben soll, darf man auch zweifeln. Vom Glauben zum Dogma, wo etwas als grundlegend und nicht verhandelbar angesehen wird, geht die Brücke des Zweifels.
 
Wenn der Anspruch einer Lehrmeinung besteht, soll man zweifeln.
Wenn nur eine Systemathik die Richtige sein soll, zweifle.
Wenn scheinbar nur ein Weg besteht, soll man zweifeln.
Wenn du denkst du seist am Ziel angekommen, dann zweifle.
Wenn du Recht haben wills, dann zweifle.
Zweifle, und beginne von vorne.
 
Was mir am Aikido gefällt ist, dass ich über all die Jahre den Glauben an die Wirksamkeit, die persönlche Enwicklung, die Transformation nicht verloren habe. Zum Teil hat sich Glauben in Wissen oder Ereknntnis gewandelt und doch zweifle ich immer wieder. Der Zweifel hat mich dazu gebracht weiterzusuchen, weiterzumachen. Das ist die wunderbare Möglichkeit des immer wieder Trainierens, immer wieder Daranbleibens, immer wieder der Mitte Suchens, dass man in den Fluss des Geschehens gelangt, in die Wirklichkeit, in die Grundhaltung des Vertrauens. 
 
Ich habe immer Lehrer gemocht, die Zweifel zulassen und sich hinterfragen können. So geht es auch mir; ich glaube ohne zu sehen, ich weiss, ich kann, ich trainiere, ich unterrichte im Fluss des Geschehens; zweifle. 
 
*Johan Wolfang von Goethe
 
 

Haeder Lee
2020