Weisheit von oben 

 

Gemeinsam mit anderen Budodisziplinen hat Aikido:

  • das Streben nach der richtigen Haltung
  • die Koordination von Atmung und Energie
  • die Suche nach der Mitte
  • Beharrlichkeit und geduldiges Üben

Stabilität schaffen - Bewegungsschulung - Technische Schulung - Wahrnehmungsschulung - Bewusstseins-schulung

In unterschiedlicher Reihenfolge oder gleichzeitiger Durchmischung finden sich diese Lehrelemente im alltäglichen Training. Obwohl eigentlich ein definierter Aufbau dahinter liegt, finden viele Sachen gleichzeitig und mit abwechselnden Lehrtrainern auch unterschiedlich interpretiert statt. Gewünscht ist, dass das notwendige Stück Unterrichtung individuell anhaftet und resoniert. Möglich ist das durch gegenseitige Offenheit und Hingabe von Lehrenden und Lernenden. Interessant hierbei ist, dass auf allen Stufen das nächstbessere Geheimnis nur hört, wer die angebotene Sprache versteht. So streckt sich das eine und bückt sich das andere. Weisheit spricht viele Dialekte und wird doch nur verstanden wenn man ein offenes Ohr hat. Die Weisheit von jedem und jeder in sich selbst. Für viele technische Belange haben wir ein Prüfungssystem, das vor allem die äusserlichen Aspekte einordnen kann und eine Sicherheit bietet, dass wir kontinuierlich auf dem Weg sind und es aufwärts geht. Bald aber verwischen sich diese Konturen. Aikido macht ja nicht automatisch bessere Menschen aus uns. Da muss es auch in uns einen inneren Masterplan geben, der uns führt und leitet für einen nächsten wichtigen Lernschritt. Nebenbei gesagt löst das nicht immer erfreuliche Gefühle aus. Auch dieses persönliche System setzt an unterschiedlichen Orten an und lässt sich nicht so leicht fassen oder steuern.

So sind verschiedene Komponenten für einen Evolutionserfolg beteiligt. Ein individueller innerer Leitfaden eines jeden und jeder einzelnen und ein komplexes Lehrsystem mit unterschiedlichen Ebenen des Lernens. Es ist keine Koketterie wenn ich manchmal sage, ich wisse nicht was es als nächstes zu lernen gäbe. Schön, wenn es sich offenbart. Da machen dann eben die guten Ratschläge, die das Budo für uns bereithält, Sinn: Absichtsloses Tun - Hingebungsvolles Arbeiten - im Hier und jetzt sein - Aufmerksam sein - usw.

Aikido lernen und lehren kann also nicht linear sein. Trotzdem sind die Schritte ein wenig vorgegeben. Ohne Stabilität und Zentriertheit sind koordinierte Bewegungen nicht möglich. Ohne Kondition und Kraft fehlt die Energie für dynamisches Arbeiten, ohne reflektieren über eigene Muster ist Loslassen schwierig, ohne fundierte Technik ist es kaum möglich sich absichtslos zu bewegen, ohne Hingbe bleibt Öffnung und Verbindung theoretisch. Die Kunst des Lehrenden besteht darin, den Lernenden von allen Ebenen gleichzeitig etwas mitzuteilen, aber mit der jeweiligen Entwicklungsstufe zu arbeiten, immer wieder Grenzerfahrungen zuzulassen und Hilfestellungen zu leisten für den nächsten Schritt. Und sich selber in den gleichen Prozess einzugeben.


Haeder Lee
2014